Jagdfreude empfindlich getrübt

Jagdfreude empfindlich getrübt

17.01.2005

Demonstranten behindern Großjagd mit Prominenten im Engener Stadtteil Bittelbrunn

Zum Eklat kam es bei einer Jagd im Engener Stadtteil Bittelbrunn, an der 164 teilweise prominente Jäger teilnahmen. Etwa 50 Demonstranten störten die Veranstaltung und versuchten Hochstände und Fahrzeuge zu blockieren. Erst durch einen massiven Polizeieinsatz gelang es, die Demonstranten aus dem Jagdgebiet zu entfernen.

Engen-Bittelbrunn

VON ALBERT BITTLINGMAIER

Bild: Betrübte Blicke gab es nach der Bittelbrunner Großjagd, die von Demonstranten gestört wurde. Die Jagdherren (im Vordergrund, von links) Wolfgang Porsche, Ion Tiriac und Klaus Mangold. Bild: Deluca

Engen-Bittelbrunn. Sichtlich betroffen waren die Jagdherren Klaus Mangold und der frühere Manager von Boris Becker, Ion Tiriac, als die Strecke ausgelegt wurde. Fast zur Nebensache geriet da, dass die Jäger 60 Wildschweine und 18 Füchse erlegt hatten. Und das komme vor allem den Bauern zugute, hatte Ex-Daimler-Chrysler Manager Mangold vor der fast gesamten Bittelbrunner Bevölkerung betont, die das Auslegen der Strecke interessiert verfolgte. Die Wildschweinplage, die auf den Feldern große Schäden anrichte, könne nur durch groß angelegte und gezielte Jagdveranstaltungen in den Griff bekommen werden, rechtfertigte Mangold die Jagd. Die Gegner indes hatten in den letzten Jahren immer vehementer die Jagd verurteilt. Es handle sich dabei um ein reines Lusttöten , so der Vorwurf. Und das werde erst durch Zusatzfüttern, wie Auslegen von Mais, ermöglicht. Die Jagdherren verweisen aber weiter darauf, dass sie sich strikt an die Jagdgesetze halten.

Unterstützung erhielten sie vom Leiter des baden-württembergischen Jagdverbandes, Neuhaus, der bei der Jagd in Bittelbrunn anwesend war und das Vorgehen der Demonstranten scharf verurteilte. Dies habe nicht nur zu einer massiven Störung der Jagd, sondern auch zu einer Gefährdung der Demonstranten selbst und der an der Jagd beteiligen Personen geführt.

Mit spontanem Applaus hatten die Teilnehmer der Jagd auf die Ankündigung von Mangold reagiert, dass sich die Jäger von den Demonstranten nicht einschüchtern lassen und auch in den nächsten Jahren die Großjagd fortsetzen wollen. Der ehemalige Daimler-Chrysler-Manager strich heraus, dass vor allem die Bittelbrunner voll hinter der Jagd stünden und sie nach besten Kräften unterstützten. Wir pflegen zur Bevölkerung schon fast ein freundschaftliches Verhältnis , betonte Mangold. Er erhielt genauso lautstarken Beifall wie Ion Tiriac, der in einer launigen Ansprache die Ereignisse der Jagd aufgriff. Ich habe wunderschöne Jahre erleben dürfen, vor allem in meiner Zeit als Manager von Boris Becker , führte Tiriac aus. Und er habe geglaubt, unter dem diktatorischen Staatschef Ceausescu alles Negative schon erlebt zu haben. Bis zum Vorfall bei der Bittelbrunner Jagd. So etwas hätte es bei uns nicht gegeben , wetterte Tiriac.

Klaus Mangold äußerte die Sorge, dass die Handlung der Jagdstörer angesichts der Jagdteilnehmer aus aller Welt ein schlechtes Bild auf Deutschland werfe. Unter den prominenten Jägern befanden sich auch der frühere rumänische Staatschef Adrian Nastase und Bernhard Prinz von Baden.

Mangold hat sich nicht entschieden, ob er Anzeige erstattet. Er zeigte sich aber enttäuscht, dass die Demonstranten, entgegen dem Ergebnis eines Gesprächs die Jagd massiv gestört hätten. Für eine friedliche Demonstration mit Plakaten außerhalb des Waldes hätte ich Verständnis gezeigt , sagte Mangold. Nun soll die Organisation der Großjagd neu überdacht werden, so Mangold. Dazu wolle man sich auch mit der Polizei, der er ein umsichtiges Handeln bescheinigte, zusammensetzen.

Jagd: Nebenform menschlicher Geisteskrankheit

Der erste Präsident der Bundesrepublik Deutschland, Theodor Heuss, schrieb:

Jägerei ist eine Nebenform von menschlicher Geisteskrankheit .
(Theodor Heuss: Tagebuchbriefe 1955-1963, hg. V. Eberhard Pikart, Tübingen/Stuttgart 1970, S. 106)

Fakten gegen die Jagd

Die moderne Wissenschaft

Die moderne Wissenschaft

hat in zahlreichen Untersuchungen zweifelsfrei nachgewiesen, dass Tiere empfindungsfähige, Freude und Schmerz verspürende Wesen sind. Tiere verfügen über ein reiches Sozialverhalten und gehen wie wir Beziehungen und Freundschaften ein. Sie können Liebe und Trauer empfinden, ja, sogar Fairness, Mitgefühl, Empathie, Altruismus und moralisches Verhalten zeigen, das über Trieb- und Instinktsteuerung weit hinausgeht.

Trotz beharrlicher Propagandaarbeit der Jagdverbände sinkt das Image der Jäger immer mehr: Immer weniger Spaziergänger, Hundehalter, Reiter und Mountainbiker lassen es sich gefallen, wenn sie von Jägern angepöbelt und bedroht werden - und sie protestieren gegen Ballerei in Naherholungsgebieten sowie gegen Massenabschüsse auf Treibjagden. Immer wieder zu lesen, dass Jäger aus Versehen Liebespaare im Maisfeld, Jagdkollegen oder Ponys auf der Weide mit Wildschweinen verwechseln - das kann einem draußen in der Natur durchaus Angst machen - ebenso wie Schüsse am Spazierweg oder Kugeln, die in Autos einschlagen. Außerdem haben Millionen Tierfreunde kein Verständnis, wenn Jäger ihre Hauskatzen abknallen oder drohen, den Hund zu erschießen.

Tierrechtsorganisationen decken immer wieder Verstöße gegen das Tierschutzgesetz bei Treib- und Drückjagden sowie bei Gatterjagden auf, wo halbzahme Tiere gegen Geld abgeknallt werden. Warum Jäger Jagd auf Hasen machen, obwohl sie auf der Roten Liste bedrohter Arten stehen, kann irgendwie auch niemand mehr gut finden. Zudem haben 99,7 Prozent der Bevölkerung andere Hobbys, als Tiere tot zu schießen.

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Fakten gegen die Jagd - Die Natur braucht keine Jäger

Warum jagen Jäger wirklich?

Die Frage "Warum jagen wir?" beantwortet eine Jagdredakteurin wie folgt: "Einige beschreiben die Jagd als Kick, andere sprechen von großer innerer Zufriedenheit. Die Gefühle bei der Jagd sind ebenso subjektiv wie in der Liebe. Warum genießen wir sie nicht einfach, ohne sie ständig rechtfertigen zu wollen?"
Rationale Gründe, mit denen Jäger rechtfertigen, dass die Jagd notwendig sei, sind offenbar nur Ausreden. Jedenfalls schreibt die Jägerin: "Der Tod, der mit dem Beutemachen verbunden ist, ist verpönt. Deswegen suchen die Jäger Begründungen in Begriffen wie Nachhaltigkeit, Hege und Naturschutz."

Der Neurologe und Psychoanalytiker Dr. Paul Parin - ebenfalls begeisterter Jäger - schrieb in seinem Buch "Die Leidenschaft des Jägers": "Seit meinen ersten Jagdabenteuern weiß ich: Jagd eröffnet einen Freiraum für Verbrechen bis zum Mord und für sexuelle Lust, wann und wo immer gejagt wird."

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Immer mehr jagdfreie Grundstücke in Deutschland

Von Schleswig-Holstein bis Bayern: In Deutschland gibt es immer mehr jagdfreie Grundstücke!

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am vom 26.6.2012 entschieden, dass es gegen die Menschenrechte verstößt, wenn Grundeigentümer die Jagd auf ihrem Grund und Boden gegen ihren Willen dulden müssen, obwohl sie die Jagd aus ethischen Gründen ablehnen. Aufgrund des Urteils des höchsten europäischen Gerichts wurde die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, ihre Jagdgesetzgebung entsprechend zu ändern. Grundeigentümer können bei der unteren Jagdbehörde einen Antrag stellen, dass Ihr Grundstück jagdrechtlich befriedet wird.

Eine aktuelle Dokumentation über jagdfreie Grundstücke und laufende Anträge auf jagdrechtliche Befriedung finden Sie hier.

Seit 1974: Jagdverbot im Kanton Genf

Im Schweizer Kanton Genf ist die Jagd seit 40 Jahren verboten. Noch nie war die Biodiversität größer und die Wildtierbestände regulieren sich selbstständig erfolgreich. weiterlesen

Seit 1914: Jagdverbot im Nationalpark Schweiz

Im Schweizerischen Nationalpark ist die Jagd seit 1914 Jahren verboten - ein erfolgreiches Modell für eine Natur ohne Jagd, das beweist: Ohne Jagd finden Tiere und Natur in ein Gleichgewicht. weiterlesen

Jagdverbote in immer mehr Ländern

In Luxemburg ist die Jagd auf Füchse seit 2015

In Luxemburg ist die Jagd auf Füchse seit 2015

verboten. Damit liefert unser Nachbarland den praktischen Beweis dafür, wie unnötig das massenhafte Töten von Füchsen ist - auch in der modernen Kulturlandschaft: Weder hat die Zahl der Füchse zugenommen noch gibt es Probleme mit Tollwut. Die Verbreitung des Fuchsbandwurms geht sogar zurück.

Immer mehr Länder sprechen für den Schutz von Wildtieren Jagdverbote aus. weiterlesen