Jäger im Nationalpark
Presseecho
Lebendfallen fürs Forschungsprojekt "Luchs"
Unmut bei Tierschützern über Tierkadaver im Nationalpark - Vorgaben durch Abschussplan
Grafenau/Neuhütte. Fotos von blutigen Überresten toter Wildtiere im Nationalpark Bayerischer Wald haben die Gemüter bei Tierschützern hochkochen lassen. Die Innereien waren in der Nähe von Lebendfallen gefunden worden, was die Tierschützer zu der Vermutung veranlasste, Tiere, die in den Lebendfallen gefangen wurden, seien grausam abgeschlachtet worden. Marco Heurich, Wildtier-Biologe im Nationalpark, stellt klar, dass es sich bei den Überresten um das Überbleibsel normaler Jagdausübung handelte. (...)
Dass die Überreste liegen blieben, sei auch normal. "Im Sommer vergraben wir die Innereien, bei Minusgraden im Winter wird"s mit dem Vergraben schwierig", so seine Erklärung.
Die Lebendfallen würden laut dem Wildtier-Biologen für das Forschungsprojekt "Luchs" verwendet. "An 14 Standorten fangen wir in den Fallen Rehe und statten diese mit GPS-Sendern aus. Anhand derer können wir sehen, wie sich die Rehe in Anwesenheit des Luchses verhalten." (...)
Quelle: Passauer Neue Presse, 31.1.2009 (Auszug)
Fallen, Blut und Sendehalsbänder
An einem erfolgreichen runden Tisch zu den Themen Rehwildfallen, Forschung und Tierschutz begegneten sich der Nationalpark Bayrischer Wald und Tierschützer. Am 31. März 2009 kamen auf Einladung von Erna Dotterweich, Vorsitzende des Vereins "Freunde auf vier Pfoten" hochkarätige Wildtierexperten in den Passauer Hof in Grafenau. Angefangen bei der Nationalparkverwaltung vertreten durch deren Leiter Herrn Dr. Karl Friedrich Sinner, Herr Marco Heurich als Forschungsleiter, sowie Herrn Michael Penn dem zuständigen Berufsjäger. Als neutrale Berater für beide Seiten fungierten: Herr Prof. Dr. Dr. Sven Herzog, Wildtierforscher an der TU Dresden und stellv. Vorsitzender des Aldo Leopold Forums für Umweltethik e. V. sowie Dr. Joseph Linner, Chef des WCI (Wildlife Consulting International com.) ein internationaler Nationalparkexperte und Michael Hess als ehemaliger Berufsjäger.
Anlass zu dieser Veranstaltung gab die Alarmierung von Frau Dotterweich im Januar dieses Jahres durch Spaziergänger im Nationalparkbereich Neuhütte. Die Besucher wurden durch Schreie eines Rehes auf ein Helferteam einer Forschungsgruppe aufmerksam. Dort entdeckten die Passanten die Rehwildfallen und einige herumliegende Innereien. Das ließ die Emotionen steigen.
Eine reine Verkettung unglücklicher Umstände?
Dr. Sinner erklärte, die Innereien lasse man liegen, weil im Nationalpark zu wenig Wildtiere auf natürliche Weise sterben, dazu zählen auch Luchsrisse. Diese Überreste dienen auch anderen Tieren als Nahrungsgrundlage. So benötigen einige Vogelarten tierisches Fett und Calcium aus Kadaverknochen um eigene Körperstoffe zu bilden, auch Calcium für Eierschalen. Eine solche Ansammlung von Eingeweiden wäre aber keine gängige Nationalparkpraxis. An diesem Platz wurde auch Rotwild erlegt, weil der Nationalpark auf Weisung "von Oben" einem Abschußplan unterliegt.
Solche Anhäufungen im Verein mit Lockfutterhäufen wird es nicht mehr geben, meint Sinner. Als einen Grund der Forschungen erklärt Marco Heurich damit, daß in der Vergangenheit die örtliche Luchspopulation regelrecht zusammengebrochen ist. Der Hauptgrund waren illegale Abschüsse, Wilderei gewesen. Da der Luchs im Moment der einzige größere Predator ist, soll das Luchs Rehwild Verhältnis dokumentiert werden.
Auch ist die Situation der
Rehe im Nationalpark ohne Jagd(!) ein Anlass dafür, dass so manches Weltbild ins Wanken gerät. Deswegen will Heurich, Aufschlüsse über die unterschiedliche Vegetationsnutzungen von Reh- und Rotwild im Parkgebiet erforschen. Der Fang von Rehen in diesen Kastenfallen, so Dr. Sinner, sei eine Methode, die seit den achtziger Jahren praktiziert wird. Diese Methode ist viel schonender als der anderweitig ausgeübte Fang in Netzen. Aus Tierschutzgründen lehnt Dr. Sinner diese Praxis entschieden ab. Bei den Kastenfallen hatten wir bisher keine fangbedingten Ausfälle an Rehen!
Der Nationalparkexperte Dr. Linner vermisst den Einsatz von alternativen Immobilisierungsmethoden, zum Beispiel das Blasrohr mit Betäubungspfeilen auf kurze Distanzen. Das erfordert jedoch viel Zeit und Geschick, denn die Heckpartie des Rehs bietet ein nur sehr kleines Ziel.
Dieser Meinung ist auch Marco Heurich, der Forscher nennt ein neuartiges ferngesteuertes Narkosegewehr, welches jetzt auf den Markt gekommen ist. Er erklärt, daß er in Zukunft auch viel mehr Fotofallen für das Forschungsmonitoring einsetzen will. Auf die Frage:
"Wie gehen die Sendehalsbänder wieder ab?"
Die Antwort: Zu diesem Zweck gäbe es eine sogenannte "Drop off" Einrichtung. Eine Minisprengkapsel, die das Band nach spätestens achtzehn Monaten vom Tier löst. Heurich räumt ein das diese Vorrichtung sehr oft Probleme gemacht hat und er lieber ein Tier nochmals fängt um es manuell vom Sender zu befreien. Auch wenn die Immobilisierung mit dem Betäubungsgewehr die eher teure Methode ist.
Prof. Herzog räumt ein, dass Kosten bei der Forschung, vor allen Dingen, wenn es dabei um das Wohl der betreuten Tiere geht, keine Rolle spielen dürfen. Er empfiehlt auch zusätzlich beim Fang in diesen Fallen die Tiere per Sedierung Ruhig zu stellen. Die bei der Entnahme von Hand angelegten Scheuklappen sind gut, aber erfordern ein schnelles und sicheres Handling am Tier. Es wäre wünschenswert wenn in Zukunft auf diese Fallen verzichtet werden könnte. Denn Fallen haben in der öffentlichen Meinung ein sehr schlechtes Image. Auch die Tatsache, daß sich die gleichen Rehe mehrfach in den Fallen fangen sieht Prof. Herzog nicht als Indiz dafür, dass sich die Tiere darin wohl fühlen. Es liegt an einer Eigenart des Rehes im Zusammenhang mit dessen Kurzzeitgedächtnis. "Das Reh wird niemals den Menschen in seiner unmittelbaren Nähe tolerieren." Meint Herzog.
Dr. Joseph Linner appeliert an einen transparenten Umgang mit der örtlichen Bevölkerung. Der Nationalpark hat nur dann eine Zukunft, wenn die Einheimischen sich mit ihm identifizieren. Das war die allererste Aufgabe, die Linner bei seiner Aufbauarbeit in Afrika erledigen musste. Das Einbinden aller Leute in das Nationalparkgeschehen ist Grundbedingung, Widerstände können so langfristig abgebaut werden. Wenn eines Tages die Leute dann von "unserem Nationalpark" reden, ist man auf dem richtigen Weg.
Dr. Sinner dazu: "Sie beschreiben gerade unsere derzeitige Tagesarbeit."
Frau Dotterweich stört sich an den Ohrmarken mit welchen die Rehe ausgestattet werden. Man kennt doch die Probleme mit diesen Marken und die Eigenart das sie verloren gehen oder ausreißen. Gerade in der Schaf- und Ziegenhaltung ist das Problem bekannt. Dr. Linner sieht bei den Ohrmarken eher ein ästhetisches Problem: Dem Nationalparkbesucher begegnen Rehe mit Halsband und Ohrmarken.
Die Sender werden kleiner!
Bestätigt Marco Heurich. Der neueste Stand der Technik wird genutzt werden. Ein "Chipen" ist im Moment wegen der nicht ausreichenden Energieversorgung der Sender noch nicht möglich. Prof. Herzog erwähnt zwar winzig Sender die Zugvögeln auf das Gefieder geklebt werden und per Solarzelle ihre Energie beziehen, in der Rehwildforschung hält er die Geräte für zu anfällig.
"Wie ist es mit den großen Sendehalsbändern im Winter bei Schnee?" hakt Frau Dotterweich nach. In dieser Notzeit ist der Sender eher eine Belastung, dieser Meinung ist auch Prof. Herzog. Er fordert das keine Kosten und Mühen gescheut werden dürfen um die Ausrüstung zum Wohl der Tiere zu verbessern.
Die entspannte, fachlich und sachlich fundierte Atmosphäre dieses runden Tisches hinterließ den Eindruck: Das beide Seiten erfolgreich waren! Die Forschungen werden helfen einige unüberlegt in die Welt gesetzte Behauptungen und alte Mythen zu entkräften.
Gerade ein Jagdverzicht bringt einzelne Weltanschauungen ins Wanken. Beim Abschied wurde Dr. Sinner gefragt, ob er den erst kürzlich in der Presse erwähnten sogenannten Vatikanwald kennt? Ein Wald in dem seit über sechzig Jahren die Jagd verboten ist und in dem es beste Naturverjüngung samt Nutzholz gibt.
"Natürlich" war die Antwort " ich war schon als begeisterter Besucher vor acht(!) Jahren dort."