Mehr Jagd - mehr Wildschweine

Sind die Jäger schuld an der Wildschweinschwemme?

Seit Jahren ist in allen Zeitungen von einer "Wildschweinschwemme", gar von einer "Wildschwein-Plage" zu lesen. Doch obwohl in Deutschland so viele Wildschweine geschossen werden, wie noch nie seit Beginn Aufzeichnungen in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, steigt die Anzahl der Wildschweine weiter.
Ist die Lösung des "Wildschweinproblems", noch mehr Tiere zu schießen? Oder ist gerade die intensive Jagd auf Wildschweine das Problem? Denn so paradox es klingen mag: Je mehr Jagd auf Wildschweine gemacht wird, um so stärker vermehren sie sich. Auf diesen Zusammenhang weisen immer mehr Wissenschaftler hin. Und zu diesem Ergebnis kommt auch eine aktuell publizierte französische Langzeitstudie: Starke Bejagung führt zu einer deutlich höheren Fortpflanzung und stimuliert die Fruchtbarkeit bei Wildschweinen.

Die Wissenschaftler um Sabrina Servanty verglichen in einem Zeitraum von 22 Jahren die Vermehrung von Wildschweinen in einem Waldgebiet im Departement Haute Marne, in dem sehr intensiv gejagt wird, mit einem wenig bejagten Gebiet in den Pyrenäen. Das Ergebnis wurde nun im renommierten "Journal of Animal Ecology" veröffentlicht: Wenn hoher Jagddruck herrscht, ist die Fruchtbarkeit bei Wildschweinen wesentlich höher als in Gebieten, in denen kaum gejagt wird. Weiterhin tritt bei intensiver Bejagung die Geschlechtsreife deutlich früher vor Ende des ersten Lebensjahres ein, so dass bereits Frischlingsbachen trächtig werden. Auch das Durchschnittsgewicht der erstmalig fruchtbaren Wildschweine ist bei hohem Jagddruck geringer. In Gebieten, in denen wenig Jäger unterwegs sind, ist die Vermehrung der Wildschweine deutlich geringer, die Geschlechtsreife bei den Bachen tritt später und erst bei einem höheren Durchschnittsgewicht ein. (vgl. Servanty et alii, Journal of Animal Ecology, 2009) Mit dieser Studie ist bewiesen, dass die starke Vermehrung bei Wildschweinen nicht auf nur vom Futterangebot abhängt, sondern auch von der intensiven Bejagung.
Norbert Happ, der bekannteste deutsche Wildschweinkenner selber Jäger prangert an: "Die Nachwuchsschwemme ist hausgemacht". Für die explosionsartige Vermehrung der Wildschweine seien die Jäger selbst verantwortlich: "Ungeordnete Sozialverhältnisse im Schwarzwildbestand mit unkoordiniertem Frischen und Rauschen und unkontrollierbarer Kindervermehrung sind ausschließlich der Jagdausübung anzulasten", so Happ (in der Jägerzeitung "Wild und Hund", 23/2002).

Auch Wildmeister Gerold Wandel weist auf das Jagd-Problem hin: "Jetzt werden die Sauen wirklich wehrhaft! Sie wehren sich mit einer unglaublichen Zuwachsdynamik gegen den falschen, asozialen Abschuss in den Altersklassen." (Jagdzeitung PIRSCH 1/2004)

Durch die Jagd vermehren sich Wildtiere stärker als unter natürlichen Umständen, meint auch Prof. Dr. Josef H. Reichholf, der die Abteilung Wirbeltiere der Zoologischen Staatssammlung München leitet. Würden in einem Gebiet durch die Jagd, die ja vor allem im Herbst und Winter statt findet, viele Tiere getötet, hätten die Verbliebenen ein besseres Futterangebot. "Tiere, die gestärkt überleben, pflanzen sich im Frühjahr zeitiger und zahlenmäßig stärker fort", sagt Reichholf. (Süddeutsche Zeitung, 28.01.2009)

Sauenplage von Jägern mitverursacht

Leserbrief zum Artikel "Größte Herausforderung Wildschweinplage" vom 4.2.09


"Sauenplage von Jägern mitverursacht"

Welche Bedeutung Tierschutz und ökologische Zusammenhänge unter Umweltminister Uhlenberg haben, zeigt die Forderung des Kreisjagdberaters Schulze Schwefe: Er fordert nicht essbare Babyfrischlinge totzuschießen. Zu den Fakten: Es gibt zur Zeit keine zuverlässige Methode zur exakten Bestandserfassung der Wildschweine in einem bestimmten Gebiet. Es fehlt bundesweit ein Monitoring durch jagdunabhängige Institute. Jäger legen einfach ihre Jahresstrecken für Schwarzwild zugrunde, um den Bestand darzustellen. Die Strecken sind aber kein seriöser Indikator für eine Bestandsexplosion, sie sind Ausdruck jagdlicher Aktivitäten. Die Wildschweinstrecke in Deutschland erreichte im Jahr 2001/2002 ihren Höhepunkt mit 532.000 Tieren. Diese Zahl sank bis 2006/2007 auf 287.000 Tiere, stieg 2007/2008 aber wieder steil an. Auch die Strecken für NRW kulminierten 1991/1992 und von 1999-2001, sie sanken danach deutlich. 2007/2008 wurde wieder das Streckenniveau von 2001 erreicht (Quelle: DJV).

Es gibt kein wissenschaftliches Monitoring mit einheitlicher Methodik zur Feststellung der tatsächlichen Schäden durch Wildschweine. Die Schadenshäufigkeit hängt von einer Fülle von Faktoren ab, die nichts mit der Bestandsdichte zu tun haben: Das Nahrungsangebot im Wald (z.B. Bucheckern, Eicheln), der Anbau bevorzugter Feldfrüchte (z.B. Mais), die Dauer der Erntezeit, Trockenheit oder Nässe, frühes Aufgehen des Saatguts, Maßnahmen zur Schadensverhütung, Bereitschaft der Landwirte Schäden zu melden, usw.

Unterstellt man unbewiesen, dass die Zunahme der Wildschweinstrecken in NRW seit Mitte der 80er Jahre Ausdruck einer Bestandszunahme ist, so sind dafür neben milden Wintern und besseren Lebensbedingungen auch die Jäger verantwortlich. Wildschweine werden allerorten vor Hochsitzen tonnenweise mit nährstoffreichem Futter (z.B. Mais, Kartoffeln, Rüben) gefüttert, um sie auf Schussweite anzulocken. Nach aktuellen Angaben der Wildforschungsstelle Aulendorf (Oberschwaben) verwenden 79% der Jäger Kraftfutter, um ihre Ansitzzeit zu reduzieren. Futterstellen reduzieren die Wintersterblichkeit.

Noch schlimmer ist die unkontrollierte, unabgestimmte Dauerbejagung nach dem Zufallsbetrieb. Neben Unruhe, Dauerstress und Vertreibung aus ihren angestammten Streifgebieten führt scharfe Bejagung zu weiten Wanderungen und dem Abschuss erfahrener Leitbachen. So kommt es zum Zusammenbruch gewachsener Alters- und Sozialstrukturen und zu noch schnellerer Vermehrung. Es überrascht nicht, wenn sich nun orientierungslose Jungschweine in die Städte flüchten. So paradox es klingt: Je stärker Wildschweine bejagt werden, umso stärker vermehren sie sich. Es gilt in der Natur: Druck und Verfolgung = erhöhte Fortpflanzung.

Die Schweinepest ist nicht auf Menschen übertragbar. Zwar schlummert der Erreger auch in Wildschweinen, doch hängen Seuchenausbrüche fast immer mit der Intensivtierhaltung zusammen (reger Handel, weite Tiertransporte, Verfütterung von Küchenabfällen). Viele Jäger sind Landwirte und es ist denkbar, dass eine intensive Schweinebejagung nur zu erhöhten Kontakten zwischen Erregern und Hausschweinen führt.

Wildschweine sind keine Monster, sondern familiäre, intelligente und soziale Lebewesen. Sie bedrohen weder gefährdete Arten noch Naturschutzgebiete. Ganz im Gegenteil führt ihr typisches Wühlverhalten zu einer Erhöhung der Artenvielfalt im Wald. Die Vergangenheit hat eines bewiesen: Es ist nicht möglich den Bestand der schlauen Tiere durch Bejagung zu reduzieren, denn ihre Dichte wird von der Umweltkapazität bestimmt. Ob es zu viele Wildschweine bei uns sind, ist aus ökologischer Sicht ohnehin fraglich. Wären es zu viele, würden diese schlicht verhungern. Landwirte mit größeren Sauenschäden wären gut beraten, sich ihren Schaden direkt von den Jägern zurückzuholen, anstatt diese aufzufordern, alte Fehler ständig zu wiederholen.

Der geforderte Abschuss und die geplante Entsorgung kleiner Frischlinge als eine Art "Sondermüll" ist ethisch untragbar. Fühlende Wesen so zu betrachten, zeigt meines Erachtens, dass wir bereits einen Teil des Lebendigen in uns selbst, nämlich Mitgefühl für Mitgeschöpfe, vernichtet haben.

Dr. Karl Heinz Loske
Alter Schützenweg 32
33154 Salzkotten-Verlar

Jagd: Nebenform menschlicher Geisteskrankheit

Der erste Präsident der Bundesrepublik Deutschland, Theodor Heuss, schrieb:

Jägerei ist eine Nebenform von menschlicher Geisteskrankheit .
(Theodor Heuss: Tagebuchbriefe 1955-1963, hg. V. Eberhard Pikart, Tübingen/Stuttgart 1970, S. 106)

Fakten gegen die Jagd

Die moderne Wissenschaft

Die moderne Wissenschaft

hat in zahlreichen Untersuchungen zweifelsfrei nachgewiesen, dass Tiere empfindungsfähige, Freude und Schmerz verspürende Wesen sind. Tiere verfügen über ein reiches Sozialverhalten und gehen wie wir Beziehungen und Freundschaften ein. Sie können Liebe und Trauer empfinden, ja, sogar Fairness, Mitgefühl, Empathie, Altruismus und moralisches Verhalten zeigen, das über Trieb- und Instinktsteuerung weit hinausgeht.

Trotz beharrlicher Propagandaarbeit der Jagdverbände sinkt das Image der Jäger immer mehr: Immer weniger Spaziergänger, Hundehalter, Reiter und Mountainbiker lassen es sich gefallen, wenn sie von Jägern angepöbelt und bedroht werden - und sie protestieren gegen Ballerei in Naherholungsgebieten sowie gegen Massenabschüsse auf Treibjagden. Immer wieder zu lesen, dass Jäger aus Versehen Liebespaare im Maisfeld, Jagdkollegen oder Ponys auf der Weide mit Wildschweinen verwechseln - das kann einem draußen in der Natur durchaus Angst machen - ebenso wie Schüsse am Spazierweg oder Kugeln, die in Autos einschlagen. Außerdem haben Millionen Tierfreunde kein Verständnis, wenn Jäger ihre Hauskatzen abknallen oder drohen, den Hund zu erschießen.

Tierrechtsorganisationen decken immer wieder Verstöße gegen das Tierschutzgesetz bei Treib- und Drückjagden sowie bei Gatterjagden auf, wo halbzahme Tiere gegen Geld abgeknallt werden. Warum Jäger Jagd auf Hasen machen, obwohl sie auf der Roten Liste bedrohter Arten stehen, kann irgendwie auch niemand mehr gut finden. Zudem haben 99,7 Prozent der Bevölkerung andere Hobbys, als Tiere tot zu schießen.

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Fakten gegen die Jagd - Die Natur braucht keine Jäger

Warum jagen Jäger wirklich?

Die Frage "Warum jagen wir?" beantwortet eine Jagdredakteurin wie folgt: "Einige beschreiben die Jagd als Kick, andere sprechen von großer innerer Zufriedenheit. Die Gefühle bei der Jagd sind ebenso subjektiv wie in der Liebe. Warum genießen wir sie nicht einfach, ohne sie ständig rechtfertigen zu wollen?"
Rationale Gründe, mit denen Jäger rechtfertigen, dass die Jagd notwendig sei, sind offenbar nur Ausreden. Jedenfalls schreibt die Jägerin: "Der Tod, der mit dem Beutemachen verbunden ist, ist verpönt. Deswegen suchen die Jäger Begründungen in Begriffen wie Nachhaltigkeit, Hege und Naturschutz."

Der Neurologe und Psychoanalytiker Dr. Paul Parin - ebenfalls begeisterter Jäger - schrieb in seinem Buch "Die Leidenschaft des Jägers": "Seit meinen ersten Jagdabenteuern weiß ich: Jagd eröffnet einen Freiraum für Verbrechen bis zum Mord und für sexuelle Lust, wann und wo immer gejagt wird."

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Warum jagen Jäger wirklich?

Immer mehr jagdfreie Grundstücke in Deutschland

Von Schleswig-Holstein bis Bayern: In Deutschland gibt es immer mehr jagdfreie Grundstücke!

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am vom 26.6.2012 entschieden, dass es gegen die Menschenrechte verstößt, wenn Grundeigentümer die Jagd auf ihrem Grund und Boden gegen ihren Willen dulden müssen, obwohl sie die Jagd aus ethischen Gründen ablehnen. Aufgrund des Urteils des höchsten europäischen Gerichts wurde die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, ihre Jagdgesetzgebung entsprechend zu ändern. Grundeigentümer können bei der unteren Jagdbehörde einen Antrag stellen, dass Ihr Grundstück jagdrechtlich befriedet wird.

Eine aktuelle Dokumentation über jagdfreie Grundstücke und laufende Anträge auf jagdrechtliche Befriedung finden Sie hier.

Seit 1974: Jagdverbot im Kanton Genf

Im Schweizer Kanton Genf ist die Jagd seit 40 Jahren verboten. Noch nie war die Biodiversität größer und die Wildtierbestände regulieren sich selbstständig erfolgreich. weiterlesen

Seit 1914: Jagdverbot im Nationalpark Schweiz

Im Schweizerischen Nationalpark ist die Jagd seit 1914 Jahren verboten - ein erfolgreiches Modell für eine Natur ohne Jagd, das beweist: Ohne Jagd finden Tiere und Natur in ein Gleichgewicht. weiterlesen

Jagdverbote in immer mehr Ländern

In Luxemburg ist die Jagd auf Füchse seit 2015

In Luxemburg ist die Jagd auf Füchse seit 2015

verboten. Damit liefert unser Nachbarland den praktischen Beweis dafür, wie unnötig das massenhafte Töten von Füchsen ist - auch in der modernen Kulturlandschaft: Weder hat die Zahl der Füchse zugenommen noch gibt es Probleme mit Tollwut. Die Verbreitung des Fuchsbandwurms geht sogar zurück.

Immer mehr Länder sprechen für den Schutz von Wildtieren Jagdverbote aus. weiterlesen