Hunters Erlebnisse
Die Erlebnisse des Herrn Hunter
Herr Hunter hat sich den Wecker für 2 Uhr gestellt. Um halb 3 sitzt er in seinem Jeep. Sorgfältig verpackt im Kofferraum sein Jagdgewehr, mit Perlmuteinleger im Schaft. Ein Erbstück seines Vaters. Bereits seit drei Generationen sind die Hunters Jäger.
Meinen Sohn werde ich in der nächsten Saison auch mitnehmen, dann wird er sechs, geht schon zur Schule..... Heute früh ist es aber sehr nebelig. Gut, dass ich in meinem Rucksack einen Flachmann habe, auf dem Hochsitz kann es bei der Nässe ganz schön kalt werden...
Hunter verlässt die Straße und biegt in einen kleinen Waldweg ein. Er parkt den Wagen und macht sich auf den Weg zum Hochsitz. Vom Hochsitz, der zwischen hohen Tannen verborgen steht, hat man einen wunderbaren Blick auf die Lichtung- wenn es nicht gerade so nebelig ist wie heute. Beim Sonnenaufgang in ungefähr fünfzehn Minuten werden dann plötzlich aus dem Nebel der Platzhirsch und sein Harem auftauchen. Ein wirklich kräftiger, kapitaler Bursche - ein Achtender.
Hunters Gedanken schweifen.
Ach wie herrlich ist es hier draußen, fernab vom Straßenlärm, dem Gestank der Fabrikschornsteine , dem unentwegten Geschnatter, Geplapper und Geklapper von Menschen.
Die ersten Sonnenstrahlen tasten sich zart durch den Nebel und tauchen den Wald in ein ganz eigenartiges Licht.
Ach diese wunderbare Ruhe - heute aber ist es ganz anders als sonst. Ich glaube ich werde sentimental - hoppla, seit wann bin ich romantisch? Irgendwie liegt hier heute ein ganz besonderer Zauber über dem Wäldchen!
Ich frage mich WARUM werden bloß alle Jäger verdammt? WARUM werden wir als Mörder bezeichnet? Wir schützen doch nur die Natur, die Bäume vor den Verbiss des Rotwilds. Wir grenzen doch nur ein, lassen soviel Wild zu wie der Wald verkraftet. Wir erlösen kranke und alte Tiere, ersparen ihnen viel Leid und ein grausames krepieren. Wir töten schnell, ein Schuss »Peng« - das war es. Ist das Tier noch am Leben sind wir mit dem Messer schnell zur Stelle.
Bauern und Metzger sind in der Gesellschaft anerkannt. Der Bauer sperrt seine Kühe im Stall ein, sie stehen und liegen in ihrer eigenen Scheiße, sie sind solange sie leben eingesperrt, sie können sich nicht frei bewegen. Sie werden künstlich befruchtet- werden trächtig- dann fließt die Milch. Sie können ohnehin kaum laufen, was sollten sie dann auch auf der Weide? Wer hört schon die Schreie, wenn sie nicht pünktlich gemolken werden und Schmerzen haben. Wie sagt der Bauer: »Kühe geben halt solche Laute von sich, das ist normal«.... Tiermehl wird trotz Verbot gefüttert, das erhöht das Wachstum und die Milchmenge. Wen interessiert es schon, dass Kühe Vegetarier sind?
Eine Gänsehaut läuft mir über den Rücken. Ich habe das Gefühl ich bin nicht alleine hier. Mich überkommt eine eigenartige Furcht - so was kenne ich sonst nicht.
»HAALLO - ist da wer?«
»HAALLO - was willst du von mir?«
»Zeig dich, wenn du dich traust.«
»Willst du wirklich wissen was und wer ich bin?
Ich habe viele Namen!
Du fragst, warum du Mörder genannt wirst?
Weil du einer bist!«
»Halt – Stop! Die Tiere, die ich jage, leben in Freiheit, werden nicht gequält und sie spüren nicht von ihrem Sterben - weil es so schnell geht. Und außerdem dient es einem guten Zweck. Alles zum Wohle und Schutz der Natur!«
»Und warum prahlst du damit und hängst dir die Trophäen an die Wand?«
»Na, das machen aber nicht nur die Jäger. Schau dir die Angler an, oder besser noch die Sportfischer. Die fahren mit ihren Booten auf dem Meer und haben Angeln im Schlepp. Der Fisch beißt und wird mit dem Haken im Maul kurz unterhalb der Wasseroberfläche gezogen, schneller als der schwimmen kann, das oft stundenlang. Weißt du, ich bin Taucher und kenne mich mit Lungenvolumen und Druckverhältnissen aus. Dem Fisch, der sonst in anderen Tiefen lebt, platzt durch die ungewohnte Atmosphäre beinahe sein Atemorgan, aber halt nur beinahe. Ich denke jedenfalls, dass es sich so verhält. Dann wird er hochgezogen auf Boot oder an den Kai, wo ihn andere bewundern und der Typ sich als Held feiern lässt. Der arme Fisch wird an der Schwanzspitze aufgehängt, fotografiert und dann erst kaputt gemacht. Wenn es ein Hai ist, wird ihm das Gebiss rausgeschnitten, oft lebt das Tier dann noch. Das Gebiss findest du dann auch im Wohnzimmer an der Wand oder in einem Souvenier Shop. Das ist reiner Egoismus und die Meere werden dadurch auch nicht geschützt, im Gegenteil, die ganzen Motorboote tragen zur Wasserverschmutzung bei. Nun bin ich aber mal gespannt was du dazu meinst!«
»Warum suchst du immer Ausreden, warum lenkst du von dir selbst ab?
Es geht hier nicht um eine Beurteilung anderer, es geht hier um dich.
So ein schrecklicher Mensch bin ich nun auch wieder nicht. Ich kaufe meine Eier nur von freilaufenden Hühnern. Wir hatten in der Nachbarschaft mal so eine Hühnerfarm, besser gesagt eine Legebatterie. Es hat zum Himmel gestunken und dann diese ganzen Schmeißfliegen. Pfui - Der ganze Mist wurde einfach hinter die Scheune gekippt. Aber wir haben im Dorf eine Bürgerinitiative gegründet und die Schweinerei musste weg.
Nun kaufen wir unsere Eier bei einem anderen Nachbarn, da kriegen wir sogar Sonntags Eier, und die Hühner dürfen frei laufen - meist jedenfalls.«
»Schau an. Schau an, wenn es dich nicht direkt betroffen hätte, dich der Gestank und das Ungeziefer nicht gestört hätte, dann wärst du doch nicht aktiv geworden. Die Eier kaufst du doch nur aus Bequemlichkeit dort und weil billiger ist bei dir so ums Eck. Doch nicht. Weil du das Leiden der Hühner gefühlt hast!«
»Ich bin wohl in der Lage das Leid zu spüren. Ich esse schon keinen Thunfisch mehr von den Japanern. Siehst du, wie mitfühlend ich bin? Ich mache das nur, weil ich nicht mitverantwortlich sein will an den Qualen der Delfine, die sich beim Fangen der Thunfische in den Netzen verfangen und sterben.«
»Das wäre ein guter Ansatz, würdest du dich nicht schon wieder selbst belügen. Ist es nicht eher so, dass deine Frau den Thunfisch kauft und sie neuerdings Mitglied bei Green Peace ist? Und du sauer warst über den Mitgliedsbeitrag und du deswegen ein Bier weniger beim wöchentlichen Jägerstammtisch trinken kannst?«
»Jetzt reicht es aber, warum hacken alle auf mir herum? Letzte Woche kam meine Große aus der Schule nach Hause, rannte, ohne guten Tag zu sagen auf ihr Zimmer. Kam heulend mit einem Arm vollere Klamotten ins Wohnzimmer. Und ehe einer von uns was sagen konnte, schmiss sie ihre Kleider in den brennenden Kamin. Meine Frau und ich standen da wie die Deppen. Angelika, so heißt meine Tochter, zitterte am ganzen Leib. Unter Schluchsen erzählte sie von der Projektwoche Mensch und Natur an ihrer Schule. Die Lehrerin, die dieses Projekt leitet, hat den Kindern das Horror- Märchen von den lieben Schäflein erzählt, denen noch als ganz kleine Babyschäfchen die Schwänzlein - ganz ohne Betäubung - einfach mit einer Schere abgeschnitten werden. Wie kann man so was machen, die armen Kinder so zu verschüchtern?«
»Weil es die WAHRHEIT ist?!«
»Dann die Sache mit der ersten Schur, im Frühjahr, behauptete sie dann doch allen Ernstes, die Schafe hätten eine empfindlichere Haut als der Mensch - und sie bekämen Sonnenbrand. So ein Schwachsinn. Aber das ist noch nicht alles. Im Herbst kurz vor den ersten Nachtfrösten, soll dann die zweite Schur gemacht werden und die Schafe beinahe erfrieren. Sollen sie sich doch einen Pulli stricken, ha ha ha!
Also, beim nächsten Elternsprechtag kann diese Tante sich auf was gefasst machen, dann lernt sie mich mal kennen! Angelika hat MIR natürlich die Vorwürfe gemacht : »Papa, du weißt doch immer alles, warum hast du mir das nie gesagt, du bist ja so gemein.«
Ich frage dich nun ist das gerecht?
Aber das war erst der Anfang, dann ist sie in den Garten gerannt, hat die Voliere aufgemacht und meine teuren Vögel sind auf und davon. Das ist nämlich mein anders Hobby: seltene Singvögel, die ich aus aller Welt habe - Wildfang versteht sich.
Die haben sehr viel Geld gekostet, und das Gör lässt sie einfach fliegen. Ich frage mich: Wo bleibt da ihr Verstand: Mit wenigen Flügelschlägen ein paar Tausender - einfach futsch!
Als sie dann aber auch noch die Karnickel aus dem Stall gelassen hat und dann auch noch sagte: »Papa, ich kann es nicht mehr ertragen, wie du die Tiere behandelst sie einsperrst und dann schlachtest.« Da habe ich die Fassung verloren und mir ist die Hand ausgerutscht. So ein freches Gör! Aber glaube mir - es hat mir mehr wehgetan als ihr. Ich liebe meine Tochter über alles, aber um sein Kind auf den rechten Weg zu bringen, muss man es manchmal strafen.«
»Sage, hast du dich nicht vor einer Weile darüber ausgelassen, dass der Bauer die Tiere eingesperrt hält?
Siehst du nun, wie vorschnell du geurteilt hast? Wenn es dich aber selbst betrifft dann verschließt du die Augen vor den Tatsachen. Alles was einen finanziellen Vorteil für dich bedeutet ist in deinen Augen richtig und gerecht.«
»Ich will endlich wissen wer du bist, sonst rede ich kein Wort mehr mit dir.
Das glaube ich nicht.
Wer oder was bist du?«
»Gut, du willst es so. Ich werde oft als Gewissen bezeichnet, andere geben mir den Namen innere Stimme, manchmal werde ich auch Engel genannt, Liebe hab ich auch schon gehört - Ruf der Seele kam auch schon vor...«
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