40 Jahre Jägern auf die Finger geschaut

Erfahrungen eines Forstunternehmers

Wilhelm Pröhl hat seine vierzigjährige Erfahrung als Forstunternehmer über das Verhalten der Wildtiere gegenüber "normalen" Menschen und den Jägern für ein Buch zusammengetragen. Dabei konnte er erstaunliche Unterschiede feststellen zwischen friedfertigen Spaziergängern, Waldarbeitern, Forstunternehmern usw. und den Jägern. Während die Fluchtdistanz der Wildtiere bei Tierfreunden oft nur wenige Meter beträgt, flieht das Wild panikartig, wenn sie nur Försters/Jägers Auto (das sie genau kennen!) sehen oder hören.

Aug in Aug mit Wildtieren

Von Wilhelm Pröhl

Schon als Kinder lebten wir in und mit der Natur, kannten uns in der hiesigen Fauna und Flora bestens aus. Unter uns Jungen gab es den Ehrgeiz, wer Tier- und Vogelstimmen am besten imitieren konnte. Für mich war klar, dass ich auch im Berufsleben draußen in der Natur arbeiten wollte. So wurde ich Forstunternehmer.
Vier Jahrzehnte lang gehörte der Fotoausrüstung genauso zu unserem Handwerkszeug wie Seile, Ketten, Schraubenschlüssel oder die Motorsäge.
Für eine große deutsche Forstzeitschrift schreibe ich in unregelmäßigen Abständen Beiträge über forsttechnische Ereignisse und Erlebnisse der vergangenen 40 Jahre. So schrieb ich einen Beitrag über die Verständigung zwischen Forstunternehmern und Jägern. Allerdings wusste ich nicht, dass der Chefredakteur ebenfalls Jäger ist. Postwendend erhielt ich eine e-mail, worin er schrieb: Lieber Wilhelm, deinen Beitrag kann ich leider nicht veröffentlichen, das die Fakten nicht stimmen! - Fakt ist... Dann zählte er auf, wer alles das Wild vergrämt - außer dem Jäger natürlich: ...Spaziergänger, Reiter, Jogger, Fahrradfahrer, Pilze- und Beerensammler, Hundehalter, Foto- und Filmfreunde - alle vertreiben sie das Wild! - Man bekommt nichts mehr zu sehen. - Das Wild ist nur noch nachtaktiv!

Meine Beobachtung ist, dass sie, die Jäger selbst es sind, die mit ihrer Heimlichkeit und ihrem Geruch das Wild vertreiben. Ich habe mehrmals in meiner 40-jährigen Tätigkeit im Wald die Erfahrung machen können, dass Wildtiere ehrlichen Menschen gegenüber gar nicht so scheu sind, ja sogar mitunter deren Nähe suchen, so als suchten sie Schutz und Geborgenheit vor Jägern und Treibjagden.

Von zwei solchen Wildtierbegegnungen, die mich selbst sehr erstaunten und beglückten, möchte ich hier berichten:

Im Blaumann durch den Wald

Als wir unser Auto am Wildacker abstellten, begann es gerade Tag zu werden. Wir kamen in der auffälligsten Farbe, die es im Wald überhaupt geben kann - im Blaumann . Doch ob auffälliger Blaumann oder unauffälliger Tarnanzug: Wildtiere bewerten mit ihren sensiblen Sinnesorganen den Inhalt - ob Freund oder Feind.

Start der beiden Forstmaschinen. Laut dröhnen die Turbomotoren durch die Wälder. Nach etwa fünfzig Meter Fahrt mit dem Forwarder wechselt eine Rotte Wildsauen von rechts nach links über die Waldschneise, bleibt nach zehn Metern in der Lichten Douglasienschonung stehen. Obwohl mit zwei Maschinen ständig ein weithin hörbarer Lärm entstand, hielt sich diese Rotte bis gegen Mittag in unserer Nähe in der durchsichtigen Schonung auf. Mir kam es vor, als wüssten die intelligenten Tiere, dass ihnen keine Gefahr droht.


Alttier "Pauline" besucht mich mit ihrer Familie

Obwohl es schon Juni war, gab es wochenlang nasskaltes Wetter. Es war trübe und die Sonne ließ sich nicht blicken. Dann plötzlich, als wir morgens gen Ostern zur Arbeit fuhren, strahle die Sonne vom wolkenlosen Himmel. Die aufgehende Sonne verbreitete rasch Licht und Wärme, und aus Wiesen und Wäldern stiegen Dunstschleier auf, denn alles war mit Nässe und Tau überzogen.

Am Vormittag hatte die warme Sonne alle Feuchtigkeit aufgesaugt und die Luft war strahlend klar. Wir rückten mit zwei Forwardern in einen lichten Kiefernbestand und rückten tags zuvor aufgearbeitetes Kiefern und Douglasien-Industrieholz. Die beiden 100 PS-Turbodiesel der Forstmaschinen dröhnten weithin hörbar durch die morgendlichen Wälder, als mir plötzlich ein Rudel Rotwild einen Besuch abstattete. Es war ein Familienclan, der aus einem ergrauten Alttier und neun weiteren Familienmitgliedern, aus Töchtern, Enkelsöhnen und -Töchtern, bis hin zu den diesjährigen Kälbern, den Ur-Urenkeln bestand.

Das graue Alttier, ich schätzte ihr Alttier auf etwa elf bis zwölf Jahre, führte ihre Familie ganz ruhig und souverän in meine Nähe. Ich unterbrach meine Arbeit nicht, wunderte mich jedoch über dieses arglose Verhalten der Wildtiere. Mag das Rudel in der Nähe gestanden haben, als wir morgens die Maschinen starteten und ein Höllenlärm den Wald erfüllte? Oder hatten sie ihren Einstand mehrere Kilometer entfernt und wollten einfach aus Neugierde mal schauen, wer denn da so früh einen solchen Lärm macht? Jedenfalls zeigte das Rotwildrudel keinerlei Scheu. Die Tiere kamen ganz ruhig bis auf etwa zwanzig Meter an meine Maschine heran. Sie blieben stehen und fraßen hier und da an den Blaubeerensträuchern, die jetzt schon reife Früchte trugen.

Zwei diesjährige Kälber tobten mit der Lebensfreude aller Jungtiere im Radius von zwanzig Metern um meine Maschine herum. Ein zweijähriger Spießer schälte in der Nachbarschneise mir gegenüber die saftige Rinde einer Douglasie und verschlang sie genüsslich. Dabei sah er mich mit einem unerhört frechen Grinsen an, als wollte er sagen: Moin, moin, mein Freund - herrlicher Tag heute, nicht wahr? - Irgendwie löste diese Begegnung in mir ein Gefühl des Glücks aus: Ein Rotwildrudel hört in der Ferne walduntypische laute Geräusche. Doch anstatt in wilder Panik zu fliehen, begibt es sich dorthin, in unmittelbare Nähe, um nach dem Grund des Lärms zu schauen. Die alte Hirschkuh, die so ruhig ihren Clan an meine Seite führte, wird geahnt haben, dass ihrer Familie hier keine Gefahr drohte. Ich überlegte mir einen Namen: Pauline könnte zu ihr passen, weil sie eine weise Großmutter ist, die es stets verstanden hat, Gefahren richtig einzuschätzen und die wusste, was gut und was falsch für ihre Familie ist.
Nach zehn Minuten zog Pauline langsam weiter und die Tiere, die sich um meine Maschine gesammelt hatten, schlossen sich dem sich entfernenden Rudel wieder an. Im Weggehen schaute der freche Spießer noch mal zurück und es war mir, als sende er einen Gruß herüber.

Mit diesem Hirsch Aug´ in Aug - ein bewegender Moment

Mit diesem Hirsch Aug´ in Aug - ein bewegender Moment

Selbst das Dröhnen der Forstmaschinen hält die Wildschweine nicht ab, einmal vorbeizuschauen

Selbst das Dröhnen der Forstmaschinen hält die Wildschweine nicht ab, einmal vorbeizuschauen

Die intelligenten Tiere wissen offenbar, von wem ihnen Gefahr droht...

Die intelligenten Tiere wissen offenbar, von wem ihnen Gefahr droht...

Wieder dröhnten unsere Maschinen durch die morgendlichen Wälder

Wieder dröhnten unsere Maschinen durch die morgendlichen Wälder

Das Rotwildrudel zeigte keinerlei Scheu - ein junger Spießer schaute besonders frech herüber

Das Rotwildrudel zeigte keinerlei Scheu - ein junger Spießer schaute besonders frech herüber

Ich nannte die erfahrene Hirsch-Großmutter Pauline

Ich nannte die erfahrene Hirsch-Großmutter Pauline

Jagd: Nebenform menschlicher Geisteskrankheit

Der erste Präsident der Bundesrepublik Deutschland, Theodor Heuss, schrieb:

Jägerei ist eine Nebenform von menschlicher Geisteskrankheit .
(Theodor Heuss: Tagebuchbriefe 1955-1963, hg. V. Eberhard Pikart, Tübingen/Stuttgart 1970, S. 106)

Fakten gegen die Jagd

Die moderne Wissenschaft

Die moderne Wissenschaft

hat in zahlreichen Untersuchungen zweifelsfrei nachgewiesen, dass Tiere empfindungsfähige, Freude und Schmerz verspürende Wesen sind. Tiere verfügen über ein reiches Sozialverhalten und gehen wie wir Beziehungen und Freundschaften ein. Sie können Liebe und Trauer empfinden, ja, sogar Fairness, Mitgefühl, Empathie, Altruismus und moralisches Verhalten zeigen, das über Trieb- und Instinktsteuerung weit hinausgeht.

Trotz beharrlicher Propagandaarbeit der Jagdverbände sinkt das Image der Jäger immer mehr: Immer weniger Spaziergänger, Hundehalter, Reiter und Mountainbiker lassen es sich gefallen, wenn sie von Jägern angepöbelt und bedroht werden - und sie protestieren gegen Ballerei in Naherholungsgebieten sowie gegen Massenabschüsse auf Treibjagden. Immer wieder zu lesen, dass Jäger aus Versehen Liebespaare im Maisfeld, Jagdkollegen oder Ponys auf der Weide mit Wildschweinen verwechseln - das kann einem draußen in der Natur durchaus Angst machen - ebenso wie Schüsse am Spazierweg oder Kugeln, die in Autos einschlagen. Außerdem haben Millionen Tierfreunde kein Verständnis, wenn Jäger ihre Hauskatzen abknallen oder drohen, den Hund zu erschießen.

Tierrechtsorganisationen decken immer wieder Verstöße gegen das Tierschutzgesetz bei Treib- und Drückjagden sowie bei Gatterjagden auf, wo halbzahme Tiere gegen Geld abgeknallt werden. Warum Jäger Jagd auf Hasen machen, obwohl sie auf der Roten Liste bedrohter Arten stehen, kann irgendwie auch niemand mehr gut finden. Zudem haben 99,7 Prozent der Bevölkerung andere Hobbys, als Tiere tot zu schießen.

Lesen Sie:

Fakten gegen die Jagd - Die Natur braucht keine Jäger

Warum jagen Jäger wirklich?

Die Frage "Warum jagen wir?" beantwortet eine Jagdredakteurin wie folgt: "Einige beschreiben die Jagd als Kick, andere sprechen von großer innerer Zufriedenheit. Die Gefühle bei der Jagd sind ebenso subjektiv wie in der Liebe. Warum genießen wir sie nicht einfach, ohne sie ständig rechtfertigen zu wollen?"
Rationale Gründe, mit denen Jäger rechtfertigen, dass die Jagd notwendig sei, sind offenbar nur Ausreden. Jedenfalls schreibt die Jägerin: "Der Tod, der mit dem Beutemachen verbunden ist, ist verpönt. Deswegen suchen die Jäger Begründungen in Begriffen wie Nachhaltigkeit, Hege und Naturschutz."

Der Neurologe und Psychoanalytiker Dr. Paul Parin - ebenfalls begeisterter Jäger - schrieb in seinem Buch "Die Leidenschaft des Jägers": "Seit meinen ersten Jagdabenteuern weiß ich: Jagd eröffnet einen Freiraum für Verbrechen bis zum Mord und für sexuelle Lust, wann und wo immer gejagt wird."

Lesen Sie:

Warum jagen Jäger wirklich?

Immer mehr jagdfreie Grundstücke in Deutschland

Von Schleswig-Holstein bis Bayern: In Deutschland gibt es immer mehr jagdfreie Grundstücke!

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am vom 26.6.2012 entschieden, dass es gegen die Menschenrechte verstößt, wenn Grundeigentümer die Jagd auf ihrem Grund und Boden gegen ihren Willen dulden müssen, obwohl sie die Jagd aus ethischen Gründen ablehnen. Aufgrund des Urteils des höchsten europäischen Gerichts wurde die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, ihre Jagdgesetzgebung entsprechend zu ändern. Grundeigentümer können bei der unteren Jagdbehörde einen Antrag stellen, dass Ihr Grundstück jagdrechtlich befriedet wird.

Eine aktuelle Dokumentation über jagdfreie Grundstücke und laufende Anträge auf jagdrechtliche Befriedung finden Sie hier.

Seit 1974: Jagdverbot im Kanton Genf

Im Schweizer Kanton Genf ist die Jagd seit 40 Jahren verboten. Noch nie war die Biodiversität größer und die Wildtierbestände regulieren sich selbstständig erfolgreich. weiterlesen

Seit 1914: Jagdverbot im Nationalpark Schweiz

Im Schweizerischen Nationalpark ist die Jagd seit 1914 Jahren verboten - ein erfolgreiches Modell für eine Natur ohne Jagd, das beweist: Ohne Jagd finden Tiere und Natur in ein Gleichgewicht. weiterlesen

Jagdverbote in immer mehr Ländern

In Luxemburg ist die Jagd auf Füchse seit 2015

In Luxemburg ist die Jagd auf Füchse seit 2015

verboten. Damit liefert unser Nachbarland den praktischen Beweis dafür, wie unnötig das massenhafte Töten von Füchsen ist - auch in der modernen Kulturlandschaft: Weder hat die Zahl der Füchse zugenommen noch gibt es Probleme mit Tollwut. Die Verbreitung des Fuchsbandwurms geht sogar zurück.

Immer mehr Länder sprechen für den Schutz von Wildtieren Jagdverbote aus. weiterlesen